In diesem Blog werden Erinnerungen an die Schulzeit aufgeschrieben. Besucht wurde aber nicht eine normale Schule, auf der man am Ende einen allgemeinen Bildungsabschluss erreicht. Die aufgezeichneten Erinnerungen handeln von einem Institut, das Wahrsager ausbildet.

Das Semester fing, wie oft beim Schulanfang, an einem Herbsttag an. Sämtliche angehenden Wahrsager unseres Jahrgangs verteilten sich auf zwei Klassen. Die 2a und die 2b. Es gab auch noch eine erste Klasse. Dahin kamen die Leute, die vorher keine normale öffentliche Schule besucht hatten, sondern ähnliche Einrichtungen wie die Wahrsageakademie. In der ersten Klassenstufe wurde ihnen so langweiliger Kram wie Mathe oder Chemie beigebracht. An den Schulen, an denen sie vorher waren, lernte man höchstens etwas über Numerologie oder Alchemie. Mit den Wahrpflichtfächern Alientechnologie und Aurafotografie.

So kam es, dass sehr unterschiedliche Biografien und Vorbildungen aufeinandertrafen. Während die etwas normaleren Wahrsageschüler aus den öffentlichen Bildungseinrichtungen auch in die normale Welt gepasst hätten, Ausnahmen bestätigen die Regel, war das bei den Alternativen oft überhaupt nicht der Fall.
Das extremste Beispiel war Radu, der tatsächlich aus Transsylvanien stammte. Er saß die ganze Zeit mit dunkler Kleidung und Zylinder da und träumte hinter seiner runden Sonnebrille vor sich hin. Manchmal trank er in der Mittagspause Hühnerblut. Er behauptete zwar nicht ein Vampir zu sein, doch war er fest davon überzeugt, sich zunehmend Kraft seines Willens in einen zu verwandeln. Trotz all seiner Ticks war er eines der talentiertesten Schüler und konnte wirklich gut hypnotisieren; manchmal sogar den Hypnoselehrer.

Ein mindestens ebenso exzentrisches Beispiel war Stella. Man muss sich fragen, wie sie mit ihrer Art den mittleren Schulabschluss in einem Nonneninternat geschafft hat. Sie sah aus wie ein weiblicher Dämon, der nicht mit seinen Reizen geizte. Wer sich nun aber ein typisches Gothic-Mädchen vorstellt, irrt. Ihre Zähne waren spitzgefeilt. Und um ihren Hals trug sie ständig eine Boa. Manchmal kräuselten sich weitere Schlangen in ihrem Haar. Die waren aber kleiner.

All die Schüler, zu denen neben Stella und Radu auch noch jede Menge normaler Leute gehörten, hatten ein gemeinsames Ziel. Sie wollten ihren Abschluss an der Wahrsageakademie schaffen, um später in der Zukunftsdeutung zu arbeiten. Aber nicht alle waren ausersehen, es zu schaffen. Zumindest sah das unser Klassenlehrer so, der im ersten Jahr bzw. in der zweiten Stufe „Einführung in das Tarot“ und „Geschichte der Esoterik“ unterrichtete.